Er stützt die Ellbogen auf den Tisch, lehnt sich ein bisschen zu mir herüber und fasst meine Hände.
Ich ziehe meine Hände zurück, aber als er noch meine Finger in seinen hat, packt er zu und hält mich fest. „Es gibt etwas, das du über mich wissen musst.“
„Aha. Warst du im Knast? Oder hast du irgendwo Kinder aus einer früheren Beziehung?“
„Weder noch. Sei so gut, quatsch mir mal nicht dazwischen, ja?“
Ich nicke.
Er atmet tief durch. „Das, was ich dir über mich sagen will, will ich dir jetzt sagen, weil ich möchte, dass du mir vertraust. Dass es ernst ist mit uns. Du sollst nicht eines Tages, wenn du alte Freunde von mir triffst und die immer noch sauer auf mich sind, irgendwelche Dinge über mich erfahren, die unsere Vertrauensbasis zerstören könnten. Deswegen sage ich dir die Geheimnisse jetzt.“
Ich will erneut meine Hände wegziehen, aber er hält fest.
„Dass diese alten Freunde sauer auf mich sind, hat mit einem bestimmten Ereignis in meinem Leben zu tun … wobei es kein einzelnes Ereignis gewesen ist, sondern eine Zeitspanne von fünf Monaten und siebenundzwanzig Tagen. In diesem knappen halben Jahr war ich mit einem Mann zusammen.“
Meine Hände entwischen seinen Fingern.
Zum Glück kommt unser Essen, das liefert Ablenkung.
Wir essen schweigend und ich schaue ihn nicht an.
Als sein Teller leer ist, fragt er: „Hab ich dich vergrault?“
Ich hebe die Schultern. „Ich konnte mich nicht drauf vorbereiten.“
„Brauchst du Zeit?“
Jetzt hebe ich den Blick. „Antworten wären mir lieber. Was für ein Typ war das?“
„Keiner, bei dem du schon am Gang und an den Bewegungen erkennst, wie er tickt. Nein. Sascha ist ein ganz normaler Mann. Er kam damals neu in die Firma und … kennst du das, dass du jemanden einfach faszinierend findest, ohne dass du erklären könntest, warum und wieso? Na ja, so fing das mit uns an.“
„Und dann hast du mit deiner Freundin Schluss gemacht: Liebste, ich bin ab jetzt schwul?“
„Nein. Ich und schwul, niemals! Ich doch nicht! Ich hab das erst mal ein paar Wochen beiseite geschoben. Aber wir sind uns immer wieder begegnet, bei der Arbeit logischerweise, aber auch in der Freizeit. Beim Joggen im Wald, beim Einkaufen und so weiter. Ich hab mir da eine Weile nichts bei gedacht. Außer vielleicht, dass er ein netter Kerl ist. Tja. Irgendwann ist es mehr zwischen uns geworden … und leider habe ich meiner damaligen Freundin nichts davon gesagt. Ich hatte keinen blassen Schimmer, wie ich ihr das erklären sollte. Sascha und ich waren fast drei Wochen zusammen, als sie uns zufällig im Wald gesehen hat.“
„Händchen haltend.“
„Nein. Mit meinem Schwanz in seinem Arsch.“
Puh. „Habt ihr noch Kontakt?“
„Nein. Er ist umgezogen. Ich weiß nicht, wohin, er hat es mir nicht gesagt.“
Ich stapele die leeren Teller und das Besteck und schiebe sie zum freien Tischende. Dann fasse ich seine Hände und schaue ihm ins Gesicht. „Es kann also passieren, dass du wieder einen Mann triffst, der dich so fasziniert.“
„Ja. Möglich.“
„Versprich mir, dass ich euch zwei nicht irgendwo erwische. Sag es mir, bevor es anfängt.“
Er nickt. „Versprochen.“
„Gleiches gilt für Frauen.“
Er nickt wieder.
Ich klopfe auf das brüchige dunkelrote Kunstleder meiner Bank.
Ein Lächeln erhellt sein Gesicht, er rappelt sich auf, kommt um den schmalen Tisch herum und lässt sich neben mir nieder. Seinen linken Arm legt er auf die Rückenlehne der Bank. Seine Finger sind gleich neben meiner Schulter.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Nur Mut. So ein Kommentarfeld beißt nicht.