Samstag, 12. Dezember 2015

Kongopost 92

Die Integration.
Elisabeth und ich waren gerade mal drei Monaten im Zaïre, da hatten wir abends den Überfall.
Wir waren gerade mal rausgegangen, als Elfenbeinjäger das Haus mit ihren Gewehren durch alle Verandafenster und Türen durchschossen. Der Hund, den wir verwahrten, bellte. Es fiel noch ein Schuss, dann war der auch still, und wir sind auf allen Vieren durchs hohe Gras bis in die nächste Lehmhütte geflüchtet.
Kommt schnell rein, sagte die Frau, ich versteck euch hinten in der Kammer.
Weil ein Nachbar ein Gewehr und zwei Patronen hatte, schoss er damit in die Luft, um Abwehr zu zeigen. Dann wurde es so still, dass man nur noch unser ängstliches Zähnegeklapper hörte.
Ein ganz Mutiger fuhr mit dem Fahrrad in die Stadt, um die Polizei zu alarmieren. Als die da waren, gingen wir auch wieder ins Haus und sahen die Verwüstung. Alles war durchwühlt worden und unsere zwei Koffer waren aufgeschlitzt. Überall waren Einschusslöcher in den Wänden, und auf dem Boden lag der tote Hund in seinem Blut. Die Banditen hatten offensichtlich nur nach dem Projektgeld gesucht, das wir aber noch gar nicht hatten.
Die Polizisten machten einen sehr langen Bericht und räumten ein bisschen auf, wie man denn da so aufräumt. Unser gutes Brotmesser fand ich später bei jemand, der es gekauft hatte und die Taschenlampe habe ich ein halbes Jahr später einem Polizisten am Hafen abgenommen. Damals konnte ich aber auch schon ziemlich gut Lingala schimpfen.
Wir hatten noch kein Fahrzeug, wegen Niedrigwasser konnte kein Schiff fahren und die Air Zaïre war in Reparatur. Wir konnten also gar nicht weg.
Tagsüber hatten wir genug zu tun, wenn es aber dunkel wurde und die vielen fremden Laute aus dem Dschungel kamen, kam auch die Angst. Wir fantasierten dunkle Gestalten auf der Wiese hinter dem Haus. Sicher war: So können wir hier nicht weiterleben!
Aber jeden Abend, wenn es dämmerte, kamen alte und junge Leute aus dem Dorf, um uns zu sehen. Sie sangen ihre alten Kirchenlieder, bis wir fast mitsingen konnten. Am Ende, wenn es schon lange dunkel war, segneten sie uns und beteten für uns und unsere Kinder in Europa.
Wie alle Weißen waren wir ja als Belehrende dahin gekommen, um zu bauen und zu helfen. Aber jetzt wurden wir plötzlich deren Kinder, denen sie helfen mussten. Hilfloser als wir konnte aber auch kaum jemand werden.
Nie werden wir vergessen, wie Nachbar Itaka uns zeigte, dass wir in der Bibel Psalm 146 lesen sollten. Wir lasen und Itaka kommentierte:
Der HERR behütet die Fremdlinge.
Das hat er getan. Ihr lebt noch!
Er erhält Waisen und Witwen.
Eure Kinder sind wie Waisen in Europa und er erhält sie!
Die Gottlosen führt er in die Irre.
Die Banditen schossen, als ihr gerade draußen wart!
Der HERR ist König ewiglich.
Darauf könnt ihr euch immer und ewig verlassen!
zum ganzen Psalm 146

Wir sahen, dass es pechschwarze Engel gibt, ganz und gar ohne Flügel auf dem Rücken. 1982 sind wir da im Urwald dermaßen integriert worden, und damals ist mehr als nur Freundschaft entstanden. Einheimische, Flüchtlinge und Asylanten brauchen doch mehr als nur Wohnung und Arbeit.
Singen, beten und anbeten wollen wir Weihnachten wieder üben, wie damals die Hirten.

Frohes Fest, eure Hans-Peter und Elisabeth Gohl.

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