Samstag, 2. Juni 2012

aufhören mit Beten

Es gibt Dinge, für die betest du und Gott erhört dein Gebet.
Es gibt Dinge, für die betest du und Gott erhört dein Gebet ein bisschen später.
Und es gibt Dinge, für die betest du und Gott tut gar nichts.
Wenn deine Gebetsanliegen Dinge sind, die nicht zu seinem Naturell passen (zB wenn du die Weltherrschaft an dich reißen willst, um endlich das ganze Öl alleine zu besitzen und immer umsonst tanken zu können), ist das relativ wahrscheinlich.

Es gibt aber auch Dinge, die durchaus in Gottes Willen sein können und er trotzdem „nichts“ unternimmt, um dein Gebet zu erhören.

Ich habe in meinem Leben ein paar solcher Baustellen.
Eine davon hat mich die letzten drei Jahre, sieben Monate und fünfundzwanzig Tage beschäftigt – mal mehr, mal weniger, aber immer mit so einer gewissen Grundanspannung. So lange wohne ich nun hier und ebenso lange sind meine Nachbarn meine Nachbarn.
Sie streiten oft, schreien sich an, knallen mit den Türen, saufen, rauchen, lüften nicht (sodass das Treppenhaus wie Kneipe vorm NiSchG stinkt) und man kann ihnen nichts recht machen. Wenn ich im Falle des Streits hingehe, um sie um Ruhe zu bitten, stehen die Chancen gut, dass ich selber beschimpft werde; mit Worten, die bis dahin noch niemand gegen mich erhoben hat. Irgendwann erspare ich mir das.

Meine Gebete sind längst nicht nur Segensgebete. Manche gehen genau in die Gegenrichtung.
Oder ich betete um eine Gelegenheit, selber wegzuziehen.
Ich verstehe Gott nicht. Warum muss ausgerechnet ich immer bei den schwierigen Menschen wohnen? Es gibt so viele nette Menschen, warum kann ich nicht die als Nachbarn haben?
Bei jedem Streit, der von unten rauf schallt, bestürme ich ihn.
Oder beschimpfe ihn.
Oder flehe ihn an.
Meine wirtschaftliche Lage erlaubt mir keinen Umzug. Mein Gesundheitszustand auch nicht.
Außerdem habe ich es satt, ein paar Wochen nach dem Umzug festzustellen, dass die neuen Nachbarn kein Stück besser sind. Eher schlimmer.
Freunde besuchen mich und beten für mich und den Frieden im Haus, sie segnen mich und die Wohnung.
Im Gebetsbuch meines Hauskreises sind die Nachbarn fest abonniert.

Irgendwann aber höre ich auf zu beten.
Höre weg, wenn unten das Getöse los geht.
Schalte Musik an. (wobei der Lärmpegel davon nicht niedriger wird…)
Oder brülle in den Flur runter, dass sie RUHE!!! halten sollen.
Oder verlasse das Haus. (Das geht natürlich nur in einem gewissen Maße, nachts um eins gehst du nicht mehr aus dem Haus, aber mein Garten hat mir auch in dieser Sache gut getan.)
Daran, die Polizei zu rufen, denke ich nicht. Das würde nur den Moment, nicht aber die Situation ändern.

Im März dann Gerüchte, dass die Nachbarn ausziehen wollen. Schon im Mai solle das soweit sein.
Meine erste Reaktion: Glaub ich nicht.
Zuviel wurde schon gesagt, was man tun wolle und nichts davon hat eine Umsetzung gefunden.
Erst als ich eine Bestätigung aus erster Hand habe, dass sie tatsächlich eine Wohnung gefunden haben, nehme ich die Tatsache an.

Heute ist es nun soweit.
Umzug.

= - = - = - = - = - =

Der springende Punkt an der ganzen Geschichte ist nicht, dass ich mein Anliegen aufgegeben hätte.
Auch Hoffnung ist zu wichtig, um sie aufzugeben.
Sondern ich habe aufgehört auf zu beten, weil ich Gott nicht immer noch weitere Knöpfe an die Backe bitten wollte.
Ich bin davon ausgegangen, dass er mein Anliegen vernommen hatte – schließlich ist er ein hörender, erhörender Gott.
Ich habe keine Ahnung, ob er nicht etwas schneller hätte handeln können. Und vermutlich werde ich auch nie danach fragen, denn wenn wir uns eines Tages „körperlich treffen“, sind andere Dinge bestimmt wichtiger.

Aber was mag er sich dabei gedacht haben, mich in so eine schwierige Situation zu schicken? Die Wohnverhältnisse davor waren ja auch nicht einfacher!
Bei den oben erwähnten Gebeten für mich und die Wohnung kristallisierte sich bald folgendes heraus: Es geht nicht um den Streit zwischen mir und denen, sondern es geht um eine übergeordnete geistliche Dimension.
Kurz gesagt: Wer länger bleibt, hat gewonnen.

Das bin also ich.
Ich habe gewonnen.
Trotz burnoutbedingt höherem Harmoniebedürfnis.
Die ganz große Freude hat sich noch nicht eingestellt, dazu bin ich zu erschöpft.

3 Kommentare:

  1. Und? Wie war die erste Nacht ohne Nachbarn?

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  2. ich hab nichts mitgekriegt, ich hab geschlafen, aber heute "früh", als ich aufwachte, war unten Lärm, weil da jetzt renoviert wird.
    Also eigentlich alles wie immer.

    Aber ich glaub, so langsam kapier ich es.
    Gestern spät, als ich nach Hause kam, bin ich mal durch die Winkel im Gartenhaus und hab nach den Hinterlassenschaften gesehen. Im Keller war ich noch nicht.

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  3. Ich würd mal vorerst sagen: Ein Etappensieg! Mögen mögliche Nachmieter friedlicher sein!

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Nur Mut. So ein Kommentarfeld beißt nicht.