Zeitarbeit, nun gut.
Nicht besonders sinnvolle Tätigkeiten – irgendwer muss sie tun.
Tüten auf, Tüten zu. Dinge einschweißen, Dinge auspacken. Dinge wieder einpacken. Auf die Palette, runter von der Palette.
Aber was ich da heute zu tun hatte. Nee. Ganz ehrlich.
Zuerst habe ich Dosen zusammengeklebt aus Plastikteilen und vorbereiteten Pappzylindern, in die Klebestifte mit rotem Deckel kommen. Die Pappzylinder sahen demnach aus wie einer dieser Klebestifte des namhaften Herstellers, der zu einer Düsseldorfer Industriellendynastie gehört. Sowas stellt sich der Bürowarenverkäufer in den Laden, damit es hübsch aussieht.
Diese beiden Teile wurden mit der Heißklebepistole aneinander befestigt und am rechten Mittelfinger habe ich jetzt zwei Blasen von der Pistole. Von den Brandblasen mal zu schweigen, die sich meist an den Daumen finden. Ich habe nämlich aus Angst vor einer Sehnenscheidenentzündung beidhändig gearbeitet. Zum Glück geht das.
Das dauerte etwa 6 Stunden, unter enormem Zeitdruck.
Danach die Krönung.
Ich sach dir, Leser, eines Tages konsumieren wir uns zu Tode.
Ich durfte Kartons aufschneiden, darin befanden sich zwölf Sprühdosen mit after- oder before-Sonnencreme eines namhaften Herstellers für Hautpflegeprodukte. Die Dosen waren zu je sechs Stück in eine Folie geschweißt. Sie wurden ausgepackt. Jede Dose bekam ein Schildchen angehängt. Sie wurden im selben Karton, aber ohne Folie, wieder eingepackt, zugeklebt und auf eine Palette gestellt.
Ich fragte mich bei der Arbeit, wer wohl die Schildchen auf Bändchen auffädelt und ein Knötchen ans Ende macht. Und sie dann zu vierzig Stück zusammenbindet und mit ichweißnichtwievielen weiteren Bündelchen in einen Karton legt. Aber eigentlich will ich es nicht wissen.
Die Schrift auf dem Schildchen ist französisch, das lässt den Schluss zu, dass die Dinger in Frankreich verkauft werden. Also müssen sie da hingefahren werden, denn mein derzeitiger Arbeitsplatz ist zwar 60 Minuten von Remscheid Mitte weg, aber in Frankreich ist er nicht.
Weiß der Geier, wo die Dosen hergestellt und wo sie abgefüllt werden. Und wo die Kartons herkommen.
Hätte ich doch nicht so ein umweltbewusstes grünes Gewissen! Dann könnte ich den Scheiß einfach so den ganzen Tag machen und müsste nicht darüber nachdenken, was der Kram kostet; an Geld, Personal, Zeit, Material, Müll und Abgasen.
Und das alles nur, weil es ansprechend aussieht, wenn ein Schildchen an der Dose hängt, das informiert, dass der Doseninhalt 40 Cent weniger kostet.
Montag, 8. März 2010
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Hast du so ein Schildchen mitlaufen lassen?
AntwortenLöschenDeine Schilderungen sind wirklich beeindruckend. Es erinnert irgendwie an "Ganz unten" von Günter Wallraff.
Ha!
AntwortenLöschenIst ja witzig.
An den hab ich heute noch gedacht, als ich das mit den ***Schildchen zugange war.
Und sagte so vor mich hin, "Sach ma, Herr Wallraff, wo steckst du eigentlich gerade, ich hätte hier ne Story für dich."
Nun ja, grünes Gewissen hin, global warming her (es ist immer noch bitter kalt!) - so entstehen Arbeitsplätze, jemand muss die Kartons herstellen, die Dosen, das Anti-Sonnen-Zeug hineinfüllen, die Sachen zu Dir transportieren (damit das Schildchen drankommt), dann zum Supermarkt oder wo immer die verkauft werden, dort muss jemand auspacken, in Regale sortieren, kassieren...
AntwortenLöschenStell Dir vor, wie viele Arbeitsplätze an so einem Produkt hängen und dann frage Dich: Ist das nicht auch gut so?
hmpf. krass. *nich weiter weiß, was sagen soll*
AntwortenLöschenhab grad nen buch dazu gelesen, zum thema leih-und zeitarbeit. auch gebloggt:
klick
Seit ich gestern den Film zum bedingungslosen Grundeinkommen gesehen habe, habe ich einen anderen Blick auf Arbeitsplätze..
AntwortenLöschensiehe http://www.kultkino.ch/kultkino/besonderes/grundeinkommen