Donnerstag, 30. April 2015

Der Maibaum -- eine launig-kulturelle Abhandlung

Im Süden wird ein Maibaum auf den Dorfplatz oder vors Schützenhaus gestellt. Es ist ein langer Pfahl, an dem oben mit Bändern ein Kranz aus Tannengrün befestigt wird. Da tanzt man dann in der Nacht zum ersten Mai drumrum.

Glaub ich.
Ich bin ja nicht aus dem Süden -- nicht mal aus dem Süden NRWs.

Bei uns im Bergischen Land ist ein Maibaum was anderes.
Der Maibaum wird der heimlichen oder auch nicht heimlichen Liebe (was nicht heißt, dass sie unheimlich ist) in besagter Nacht vors Fenster gestellt.
Es handelt sich dabei um eine Birke, die in der Regel illegal in einem Wald gefällt wird, mit gesammelter Freundeskreiskraft auf ein Gefährt befestigt und dann zur Holden transportiert wird.
Im ländlichen Raum handelt es sich bei dem Gefährt zumeist um einen Trecker oder Unimog mit Anhänger. Auf dem Anhänger befinden sich dann nicht nur die Birke und der Freundeskreis, sondern auch etwas zu trinken. Sägen und Baumschleppen macht ja Durst.
Man kann sie als Zugabe noch mit bunten Bändern und allerhand Schmuck verzieren. Ich rede hier von der Birke, nicht der Holden.
Die Holde hat derweil zuhause zu sein und nicht mitzubekommen, was vor ihrem Fenster geschieht, denn der Akt des Maibaumsetzens zeichnet sich durch eine wichtige Sache aus: Morgens ist es eine Überraschung. Die Holde ahnt also nichts. Das heißt, der Akt muss möglichst geräuschlos vollzogen werden.
Das ist allerdings meist nicht gegeben, denn bereits bevor der Freundeskreis in den Wald auf- oder einbricht, ist schon der eine oder andere Krug herumgegangen.
Ja, im Bergischen Land, zwischen seinen sieben Hügeln und seinen sieben Talsperren, da können sogar Krüge gehen. Zumindest in der Mainacht.

Sofern man in der Mainacht einen solchen Brauchtumsbaum setzen möchte und keinen Treckerfahrer kennt, tut es natürlich auch jedwedes andere Fortbewegungsmittel. Autos, Fahrräder, Straßenbahnen (jetzt mal ohne Scherz: das hab ich mal in Köln gesehen, da verfrachteten zwei Burschen eine sicherlich zehn Meter lange Birke in die Straßenbahn, in der ich auch saß -- der Schaffner nahms mit Humor) oder zu Fuß werden die Bäume transportiert.
Die Polizei bei uns auf dem Land hat früher in dieser Nacht alle Augen zugedrückt, "man kann ja auch nicht überall sein, es gibt so viele kleine Straßen". Wie das heutzutage gehandhabt wird, weiß ich nicht, die Jugend muss es ja immer übertreiben, aber die vielen kleinen Straßen sind ja nach wie vor befahrbar.
Heute habe ich im Radio gelernt, dass die Forstämter längst Ende April junge Birken schlagen und sie an Brauchtumshüter verkaufen.
Sie wollen so das Wildsägen in ihren Wäldern eindämmen.
Aber so verzweigt die kleinen Sträßchen im Bergischen Land sind, so weit sind auch die Wälder. Da kann man nicht überall sein.

Das Traurigste an diesem feuchtfröhlichen Brauch ist, dass ich noch völlig unbemaibaumt bin. Weder heimlich noch unheimlich. Entweder war es nicht Frühling, wenn ich einen potenziellen Maibaumsetzer hatte, oder ich hatte einen, der den Brauch nicht kannte. Oder "wir sind ja schon so lange zusammen, was willst du mit einem Maibaum?"
Langweiler.

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