Donnerstag, 8. September 2011

stark oder schwach?

Es kommt gelegentlich vor, dass man ein Wort sagt, das es gar nicht gibt. Bei einer sich beständig im Wandel befindlichen Sprache* ist das so eine Sache mit Wörtern, die es nicht gibt -- vielleicht bin ich stilbildend, und dann gibt es die Wörter schließlich doch?
Hübsches Beispiel dafür ist "jesusmäßig". Bevor die Jesus Freaks die christliche Szene aufmischten, sagte niemand dieses Wort. Zumindest nicht öffentlich.
(* = schon das ist hübsch: ist sie nun beständig oder im Wandel?)

Heute geht es um verschiedene Verben.
Die Unterteilung, die den meisten dazu einfällt, ist:
regelmäßig:
reden, redete, geredet
unregelmäßig:
sprechen, sprach, gesprochen
Das ist aber nicht alles, was unsere schöne Sprache zu bieten hat.
Es gibt da noch die Unterteilung in starke und schwache Verben. Ich bemühe das selbe Beispiel:
stark:
sprechen, sprach, gesprochen
schwach:
reden, redete, geredet
Das starke Verb ist durch den Wechsel des Stammvokals** gekennzeichnet, in diesem Fall e - a - o. Allerdings kann man aus dieser Gegenüberstellung nicht schließen, dass alle unregelmäßigen Verben zugleich starke Verben sind.
So einfach ist es nicht. Das kannst du alles bei Tante Wiki nachlesen, oder du guckst in ein Fachbuch zum Thema.
Ich will dir ja schließlich keine unangeforderte Grammatikstunde verabreichen, sondern über Wörter reden, die es nicht gibt. Allerdings musste ich dafür erst ein bisschen gemeinsames Wissen schaffen, denn diese nichtexistenten Wörter haben viel mit den starken Verben zu tun. Stark und unbeugsam sind sie.
Mein Umfeld ist voll mit Leuten, die starke Verben bilden.
Neulich rief eine Freundin nach längerer Zeit wieder an und sagte: "Ich vermaß dich". Vermiss, vermieß, vermaß.
Wenn draußen alles weiß ist, sagt mein Vatter gerne: "es hat geschnitten". schneien, schnett, geschnitten. Immerhin sind es alles Einzelteile.
Oder "ich habe genossen".
Niesen, nas, genossen, denn aus der Nase kommts geschossen.
Mein letzter sprachlicher Höhenflug brachte mich zu "ich erliebte". Das Verb wird vermutlich aus erlauben, erlob, erliebte gebildet. Es gibt keine verschriftlichten Gesetzmäßigkeiten, was die Handhabe ein bisschen schwierig gestaltet.

Man kann sich auch ganz prima selbst durcheinander bringen. Am Anfang steht ein Verb, das vermeintlich stark, in Wahrheit schwach ist oder einfach ganz anders heißt.
Gern gesprochen ist "ich wöllte". Um mich zu überzeugen, dass es das Wort nicht gibt, suchte ich mir seine Grundform und fing an es zu beugen.
"ich will… ich wall… ich wollte… wall? was ist denn das? Noch mal. Ich will, ich wollte… ich habe gewollt… wurde gewollt… nee, bin gewollt… also doch, ich wöllte… ist es also völlig richtig?"
Ich kann dir versichern, das sind Fragen, auf die Duden, Wahrig & Co. keine Antwort haben.
Das Wollen an sich scheint ein mittelstarkes halbunregelmäßiges Verb zu sein, das eins jedenfalls nicht will: gebeugt werden. Auch nicht vorbeugend.

Am schlimmsten jedoch wird es, wenn man anfängt, Wörter zu beugen, die gar keine Verben sind.
Nämlich: freuen ist ein Verb, das weiß jeder. Wer sich freut, ist froh. Froh ist somit ein Adjektiv. Adjektive werden nicht gebeugt.
Was aber sagt der Satz aus: "Gerne komme ich dich besuchen, aber ich wäre fröher, wenn du mich besuchen kämst"?
Darf man das so sagen?
Natürlich! Über Besuch darf sich jeder freuen. Und wer sich mehr freut, ist froh, fröher, am fröhsten.
Warum eigentlich nicht?
Hauptsache ist doch, dass man sich versteht.

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** = wichtig ist hierbei die Unterscheidung von V und L. Es geht nicht um das StammLokal. Aber genug der Wortspiele.

2 Kommentare:

  1. sagen Sie mal, Frau Vorgarten, hätte dieser Artikel nicht eher in die Rubrik "Genie + Streich" gehört?
    Irgendwie kommt er nicht so richtig lexikonisch-seriös rüber. Vor allem diese letzte Bemerkung mit V und L.

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  2. Da mögen Sie schon Recht haben, Herr Statistikfreund, aber der nächste Artikel für Genie+Streich gehört Ihnen, weils der zweihundertste ist.
    Tja, nu denken Sie sich mal was Schönes aus.

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Nur Mut. So ein Kommentarfeld beißt nicht.