Sonntag, 9. September 2012

neunzehn Jahre in Deutschland

Lauschige Betriebsfeier bei Firma K., vorm Gewächshaus wird gegrillt, drinnen Tische und Bänke und lecker Essen. Viele sind gekommen, auch die Putzfrau. Sie ist immer freundlich und spricht schlechtes Deutsch.
Neben ihr ist noch ein Platz frei und weil dafür sonst nie Zeit ist, unterhalte ich mich mit ihr. Wo kommst du her?
Jugoslawien.
Jugoslawien ist groß, sage ich. Woher genau?
Kroatien, sagt sie.
Und seit wann lebst du hier?
Neunzehn Jahre.

Sie erzählt ein bisschen vom Krieg, von ihrem Mann, der aus Priština kommt, dass sie 1991 ihren Sohn bekommen hat und mit dem Baby durch den Bürgerkrieg geflüchtet ist, in dunklen Kellern gehockt und nachts über Feldwege gehastet, heim zur Familie nach Kroatien wollte und schließlich in Deutschland gelandet ist. Zwölf Jahre hat es gedauert, bis sie sich wieder gesehen haben. Ihre kleinen Brüder waren längst erwachsen.

Es ist ein Unterschied, von diesen Ereignissen zu lesen und sich eine Vita dazu auszudenken oder es von einem Augenzeugen zu erfahren.
Allerdings bohrt während des ganzen Gesprächs eine Frage in mir: Neunzehn Jahre lebst du in Deutschland -- wieso kannst du nur so wenig deutsch? Sprache ist der Schlüssel zur Integration und du kannst sicher mehr als Putzen. Was hast du die ganze Zeit getan, statt Deutschkurse zu besuchen?
Ich habe sie nicht gefragt, es kam mir unhöflich vor.

6 Kommentare:

  1. Sprachen lernen hat wohl auch mit Begabung zu tun.
    Ich persönlich spreche 4 Fremdsprachen und hätte kein Problem damit, noch eine andere dazu zu lernen (wenn ich wüsste, wen ich damit dann zuquasseln sollte).
    Mir ist das schon immer leicht gefallen.
    Leider bin ich in allem was Mathe, Physik und Chemie betrifft ein kompletter Idiot.
    Vielleicht geht es eurer Putzfrau ebenso: kein Sprachtalent, dafür kann Dir vermutlich auf Anhieb die 28. Wurzel aus 936 ausrechnen.

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  2. Klar, da hast du recht.
    Trotzdem glaub ich, dass auch ein sprachunbegabter Einwanderer mit einem Deutschkurs oder zweien schneller Anschluss an die Gesellschaft findet als einer ohne.

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  3. Fakt ist doch, dass man im Kindesalter doch (mindestens) eine Sprache gelernt hat. Verstehen kann man das wahrscheinlich nur, wenn man sich das Umfeld und die Wohnsituation der Familie anschaut. Wenn sie nur zum putzen aus dem Haus kommt und daheim nur ihre Muttersprache spricht (was nun: jugoslavisch oder kroatisch?), wäre das ja kaum verwunderlich. Geht ja vielen Deutsch-Türken (vor allem dort dem weiblichen Geschlecht) ähnlich. Ich habe schon Lehrer mit Eltern per Mimik- und Gesten zirkulieren (so ungefähr sah dass dann aus) sehen... :)

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  4. hm.. der Sinn meines ersten Satzes ist wahrscheinlich nicht so auf den ersten Blick zu erkennen: Ich meine damit, dass jeder, egal ob begabt oder unbegabt (ich bin auch nicht sprachenbegabt) einmal im Leben eine Sprache gelernt hat und, wenn auch mit viel Fleiß und Mühe, auch in der Lage sein müsste, wenn er woanders hinzieht, auf lange Sicht eine neue Sprache erlernen kann. Kommt halt sehr stark auf das Umfeld dann an (Stichwort Ghettobildung).. und da beginnt mein Satz Nummer 2 :)

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  5. Maze:
    Zur Frage "was nun: jugoslavisch oder kroatisch?":
    Jugoslawien war ein Vielvölkerstaat, es gab keine einheitliche jugoslawische Sprache. Die größte Sprachgruppe war das Serbokroatische bzw. Kroatoserbische (je nach dem, ob du Kroate oder Serbe bist, nennst du es so oder so), aber die Slowenen im Norden und die Kosovaren im Süden reden ganz anders.

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  6. Sie wird auch wenig Zeit und Muße zum Lernen gehabt haben. Ein kleines Kind zu versorgen, getrennt von der Familie, mit der sie aufgrund des Krieges vielleicht nur sporadisch Kontakt haben konnte. Dazu die Notwendigkeit, Geld zu verdienen, in einem körperlich anstrengenden Job. Wer bringt bei alldem noch die Energie zum Sprachenlernen auf?

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Nur Mut. So ein Kommentarfeld beißt nicht.