Mittwoch, 18. März 2015

das Vianello-Prinzip

Als ich in der GmbO* war, gab es da einen "Kollegen", der eine Katastrophe war (neben den ganzen anderen Katastrophentypen, die meine Kollegen sein sollten). Er hieß Mario Vianello.
Er hieß natürlich in Echt nicht Mario Vianello, aber hier nenne ich ihn mal so. Dass er Italiener war, stimmt aber. Es ist allerdings ein unwichtiges Detail.
Er war eine Nervensäge und ein Lästermaul und großer Meister im Verbreiten von schlechter Stimmung.
Als er seinen letzten Tag in der Werkstatt hatte, sagte Gott zu mir: Geh zu ihm hin und segne ihn.
Ich war vor Schreck wie gelähmt. Nicht diesen Typen, der sich über alles lauthals lustig machte!
Ich hab es nicht getan.

Einmal, bestimmt ein halbes Jahr später, habe ich ihn an der Bushaltestelle hier um die Ecke gesehen. Nach den Klamotten zu schließen, kam er von der Arbeit und nach dem Blick zu schließen, war er hundemüde. Er guckte, als hätte er mich erkannt, aber das ging zu schnell, als dass ich irgendwas hätte tun können.
Ich hab oft daran gedacht, wenn ich danach an der Bushaltestelle vorbei gekommen bin und diesmal, ja, ganz sicher, würde ich den Segen weitergeben und den Auftrag erfüllen. 
Aber ich habe ihn nie wieder gesehen.

Als ich neulich in Stuttgart war, sah ich in der S-Bahn einen Mann, der wohl auch nach einem langen Arbeitstag auf dem Heimweg war.
Ich red hier ja nicht von Büroangestellten, sondern von Leuten mit Dreck und anderen Spuren von Arbeit an der Kleidung.
Er stand neben mir an der Tür.
Gott sagte zu mir: Segne ihn.
Ich: ääähhhhhhhmmm.....
Du wirst ihn nie wieder sehen. Sprich ihn an, segne ihn.
Aber was, wenn er das komisch findet?
Was, wenn er das genau jetzt ganz dringend braucht?
Ich kann das ja so leise machen, ohne dass er es merkt.
Nein, er soll es merken! Sprich ihn an!
Ich habe zwei Stationen lang diskutiert, dann ist der Mann ungesegnet ausgestiegen.

Siehst du, sagte Gott zu mir, während die S-Bahntüren sich wieder schlossen, das ist das Vianello-Prinzip. Du hast die Chance, die Welt ein Stück besser zu machen, aber du nutzt sie nicht. Du nutzt sie nicht, weil du Angst hast, dass dich jemand komisch angucken könnte. Du hast keine Ahnung, wie es in dem Menschen aussieht, ob er dich auslacht oder ob ein Wunder passiert oder noch was ganz anderes. ICH WILL, DASS ER GESEGNET WIRD UND DU HAST popelige kleine MENSCHENANGST!!

Ich weiß nicht, warum mir diese Begebenheit gerade wieder einfällt, aber ich weiß, dass sie mir eingefallen ist, damit ich es aufschreibe.
Jetzt, da es öffentlich ist, ist es beim nächsten Mal vielleicht einfacher, den Auftrag zu erfüllen.

Ich will es tun.

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* = oben rechts habe ich für die Immobilversionleser ein Suchfeld installiert.

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