Donnerstag, 25. August 2016

loslassen lernen

Einst saß ich in einem Seminar und der Seminarleiter erzählte, wie wichtig es sei, eine gute Leitung zu haben und Regeln und Richtlinien, um sich an ihnen zu orientieren. Zur Illustration wählte er das Bild einer Orchidee (Phalaenopsis, für die Korinthen unter uns), der man ja Stöckchen geben und sie daran festklemmen müsse, damit sie blühen könne.
Ich riss mich zusammen, um ihn nicht vor versammelter Zuhörerschaft zu korrigieren. (Ich gebe zu: ich bin allgemein recht kritisch, wenn einer Beispiele aus dem Pflanzen- und Gartenfach wählt.)

Phalaenopsis brauchen keine Rankhilfe um blühen zu können; in freier Wildbahn kümmert sich niemand um sie und sie blühen doch. Bei Erörterung der Gießkännchenfrage siehst du meine beiden ältesten Phalis in "ordnungsgemäßem" Zustand. Blätter nach links und rechts, Triebe mit und ohne Blüten nach oben.
Die neuen Triebe habe ich damals alle festgeklipst, weil das ja so sein muss.
Aber ganz ehrlich: was würde passieren, wenn man ihnen die Stäbchen wegnehmen würde? Nichts. Es sähe wohl ein bisschen seltsam aus. Sie sind halt dran gewöhnt, dass sie aufwärts wachsen sollen und tun es deshalb. In ihrer Heimat wachsen sie zumeist auf Bäumen und hängen rum, wie ihr Erfinder es für richtig hält.

Ich habe irgendwann aufgehört sie festzuklipsen, weil ich sie nicht mehr so preußisch ordentlich auf dem Fensterbrett stehen haben wollte. Sollen sie doch wachsen, wie sie lustig sind! Freiheit für die Blöömscher! So eine Phali ist ungefähr fünf bis zehn Jahre alt, wenn sie ins Gschäft kommt. Da soll man ja annehmen können, dass sie weiß, wie sie zu wachsen hat.
Dann sah ich eines Tages in einem Blumenlädle ein irres Blumenarrangement. Gleich sprang in mir das HABENwollen auf. HABEN!! HABEN!! HABEN!! Nö, sagte die Vernunft: Selbermachen.

Ich wartete eine Weile und nun hab ichs.
Eine von der Gardinenstange baumelnde Phalaenopsis. (Zum Fototermin baumelt sie vor neutralem Hintergrund.)
Der dicke Silberdraht schlingt sich ganz locker um die Pflanze
und hängt beileibe nicht am seidenen Faden.
Der praktische Nebeneffekt: auf der Fensterbank ist jetzt Platz für neue Orchideen!

2 Kommentare:

  1. Da hast du meine volle Zustimmung, was das Nicht-Anbinden von Orchidee-Blütenzweigen angeht!!! Ich habe die noch nie angebunden, weil ich das einfach hässlich finde. Sie sehen dann irgendwie gefesselt aus.
    Einmal hatte ich gar nicht gemerkt, dass da ein Blütentrieb wuchs und wuchs (wahrscheinlich lange nicht gegossen). Als ich es endlich bemerkte, war der Trieb schon ziemlich lang und wuchs waagerecht! Als die Blüten aufgeblüht waren, lag der ganze Zweig auf der Fensterbank. Ich habe dann Steine unter die Blüten gelegt - sah ganz toll aus! Im Moment hat die gleiche Orchideee einen kerzengraden Trieb, weil ich sie immer gedreht habe - sieht auch gut aus!

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    1. bei mir werden die nicht gedreht. Würden sie ja in freier Wildbahn auch nicht. Reicht, wenn die Erde sich um die Sonne dreht.
      Wenn du sie aufhängst, ist es eh so ne Sache mit dem Drehen. Wenn du die Mitte erwischst (den Schwerpunkt), dreht sie sich von selbst.

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Nur Mut. So ein Kommentarfeld beißt nicht.