Mittwoch, 22. August 2012

zweifache Luftaufsichtsbaracke im Ohr

Es gibt Worte, die lösen eine Lawine von Erinnerungen aus. An manche davon erinnert man sich gern, an andere hätte man lieber nie wieder gedacht.
Manche Worte entfesseln auch einen Ohrwurm, der nach seiner Ausdauer schon ein ganzer Lindwurm sein könnte.

So ein Wort ist mir irgendwann im Laufe der letzten Woche widerfahren, ich weiß nicht mal mehr den Zusammenhang.
Luftaufsichtsbaracke.
BÄM!
Ein Lied mit Luftaufsichtsbaracke kann fast jeder, es gibt reichlich Coverversionen eines bekannten Liedermacherhits.
Aber wenn einer zwei Lieder mit diesem ungewöhnlichen und etwas sperrigen Wort geschrieben hat und die mir dann abwechselnd durch den Gehörgang rauschen... tja, da machste nix.
Hier das eine zum Anhören
und das andere leider nur zum Lesen und Selbersingen, denn ich hab es nirgends tönend im Netz gefunden.
Wenn du es selber singst, hol gelegentlich Luft, auch mitten in der Zeile, wenn das sein muss.
Total erschöpft kehr ich zurück in den Kreis meiner Lieben:
Ein Jahr lang hab ich an dem neuen Album geschrieben.
Frühling, Sommer, Herbst und Winter hab ich Lieder gemacht.
Jetzt bin ich fertig, jetzt will ich Beifall und zwar, dass es nur so kracht!
Aber statt der Jubelschreie bei meinem Auftauchen
Hör‘ ich nur ein Stöhnen: „Also wir könn’ dich gar nicht brauchen
Und eh du hier dumm und unnütz in der Gegend ‘rumstehst
Und uns nervst und allen tierisch auf den Senkel gehst,
Setz dich noch mal an deinen Schreibtisch, schreib noch 2 bis 3 Lieder,
Du bist doch grad so schön dabei, danach komm meinetwegen wieder!“
„Aber ich hab doch fast ein Jahr geschrieben!“ werf ich flehend ein.
„Na ja, dann kann‘s ja nicht so ungeheuer schwierig sein!“

Schreib über die Gen-Tomate
Und Silikonimplantate,
Über die Haushaltsdebatte,
Über die alte Fußmatte,
Über die Kindergeburtstage,
Über die Borkenkäferplage.
Und hast du eigentlich schon
Ein Lied zur Rentendiskussion?
Schreib über bedrohte Wale,
Volkers Videoskandale,
Geißle den Verfall der Normen
Und die Rechtschreibungsreformen.
Sieh mich nicht so komisch an und schreib sofort den Hammerhit
Über Eurofighter, Hauptstadtwahn und Transrapid.

Ich rechtfertige mich wortreich: „Ich hab doch grade, aber...“
„Hier gibt‘s kein ja und aber und jetzt ist Schluss mit dem Gelaber
Und komm mir nicht mit ‘Ich fühl‘ mich ja so leer und ausgebrannt“
Was bist du nun, ein Profi oder bist du Dilettant?
Dir fällt doch sonst immer was ein, du machst doch sonst sofort aus allen
Dingen gleich ‘nen Vers, da wird dir jetzt auch was einfall‘n!
Muss ja nicht 20 Strophen haben, dann machst du‘s halt mal kurz,
Du machst doch sonst ‘ne Oper aus jedem Kaninchenfurz.
Du machst auch sonst vor gar nichts halt und gar nichts ist dir Spötter heilig,
Jetzt stell dich nicht so an, mein Gott, jetzt sei nicht so langweilig!“
„Über fast alles hab ich schon geschrieben!“ – „Ja, aber nur fast!
Jetzt mach ein Lied über all das, worüber du noch nicht geschrieben hast!“

Schreib endlich ein Lied für Dicke,
Über die Weltengeschicke,
Wo bleibt deine blitzgescheite
Hymne von der Bankenpleite?
Und hast du schon die Ballade
Über den Krampf in der Wade,
Von Politikergeschwätz
Oder Hochschulrahmengesetz?
Wo bleibt der ultimative
Song über das Positive?
Wann kommt endlich das furchtlose
Chanson von der offnen Hose,
Wann kommt endlich dein Song über den Aufschwung Ost?
Sattle deinen Pegasus und ab geht die Post!

Also um dich herum, da wimmelt es nur so von Themen,
Und du Faulpelz druckst hier rum, wirklich, du solltest dich was schämen.
Dein einer Sohn jobbt jeden Abend in Fallis Restaurant,
Dein andrer baut in Töpfen eigenart‘ge Pflanzen an,
Deine Tochter büffelt Mathe und ich schinder und racke,
Und außerdem hab ich den ganzen Haushalt an der Backe.
Nur der Herr Dichter mischt sich unters Volk und erwartet Applaus,
Macht auf Genie und hängt uns hier total die Diva raus,
Zeigt intellektuelle Blässe und was Durchgeistigtes, Morbides,
Und macht ‘nen Riesenaufriss wegen eines kleinen Liedes.
Jetzt steh hier nicht länger rum wie ein gerupftes Huhn,
„Spitz deinen Griffel und hau rein, wir haben alle was zu tun!“

Schreib offen und ohne Schonung
Mit der dir eigenen Betonung,
Schreib was zum total Ablachen,
Schreib was zum sich Sorgen machen,
Ossis, Wessis, Besserwisser,
Bildungsspießer, Eckenpisser.
Schreib wie‘s um dieses Land steht:
Rinderwahn und Sparpaket!
Schreib nicht nur was Niedliches,
Schreib was Unappetitliches,
Nicht immer nur Luftaufsichtsbaracke,
Hau mal richtig auf die Kacke,
Schreib meinetwegen über Hundekot und Taubendreck.
Hauptsache, wir ham dich erstmal von der Straße weg!

Ja, noch‘n Lied wär extra smart
mit der geballten Kraft
der kreativen Leidenschaft,
nicht dilettantisch und nicht laienhaft,
Du hast den Saft!
Später sagen alle: Du hast‘s geschafft!
Doch vorher schreib doch bitte noch ein Lied,
Vielleicht über das Leuchten unter Wasser,
wenn man sich des Nachts
das Meer von unten besieht.
Egal, was heut geschieht,
schreib noch ein Lied! (gesungen von Frederik Mey)

Ich tu immer alles, damit der Wille meiner Frau geschieht,
(Und das hab ich jetzt davon, – Und das hat er jetzt davon,) – Und das hab ich jetzt davon: Noch‘n Lied.

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