Sonntag, 15. März 2015

Kongopost 89

Wir haben hier diskutiert, wie und wo man Gott erkennen kann. Wie man das kann, weiß ich ja auch nicht, aber wie er mich bei meiner Reise bewahrt hat, habe ich ja gerade genug erlebt.
Ich bin mit Flugzeugen geflogen, die in Europa verboten sind, ich saß in kaputten Autos, war einen ganzen Monat lang mit Motorrad- und Fahrradtaxis und zu Fuß in Städten und im Dschungel unterwegs und habe eine Woche lang mit einem ausgehöhlten Baumstamm mit Motor auf Urwaldflüssen Fischer- und Jägerchristen besucht.
Und ich fand es schon fast normal, dass mir nichts passierte.
Aber gestern bekam ich eine Mail, die mir was anderes zeigte. Pastor Totuku schrieb aus Kinshasa, wo ich ja auch alleine rumspaziert bin, dass bewaffneten Banditen seine Tochter abends, dicht beim Haus vergewaltigen wollten. Als sie sich wehrte, wollten sie sie erschießen. Mit einer Kugel im Bein und zersplittertem Arm liegt sie da nun im Krankenhaus.
Mich wollte sicher keiner vergewaltigen, aber man hätte mich doch mal sehr ärgern können.
"In wie viel Not, hat wohl der gnädige Gott über mir Flügel gebreitet."

In Basankusu hatte ich Elongama, mein altes Taufpatenkind getroffen. Der gehörte früher zu den Menschen, die für nichts zu gebrauchen sind, trotzdem landete er in meiner Bautruppe.
Da machte er auch nur Blödsinn. Zudem war er Schläger, Dieb und intensiver Haschischraucher. Ich schimpfte sehr, aber ich betete auch für ihn. Dann kam das Unfassbare: Elongama bekehrte sich. Er bekam ein neues Vokabular, lief überall mit der Bibel rum und war plötzlich anders. So was kann ja schon mal passieren, aber Elongama veränderte sich sogar bei der Arbeit. Man konnte ihm richtig Aufträge geben, ja ich sah, wie er eine Ecke lotrecht gemauert hat.
Das war Entwicklung ohne Entwicklungshilfe.
1986 starb der alte Bongelo in Baenga, zu dessen Sippe Elongama gehörte, und sie machten eine sehr schöne Flusszauberveranstaltung. Malerisch sahen alle in den Booten aus, mit weißer Bemalung, Speeren und bunten Tüchern um die Hüften. Elongama war auch dabei. Ein paar Tage später habe ich ihn danach gefragt, und er sagte, dass das zu ihrer Kultur gehöre, so wie bei Weißen der Weihnachtsbaum. Wir haben das beide geglaubt. Aber genau von dem Tag an ging es mit Elongama langsam und sicher wieder bergab. Zuletzt musste ich ihn sogar schweren Herzens entlassen, weil er an der Baustelle untragbar und ich nicht nur heiser war.
Wir haben uns noch viele Male getroffen. Er war in meinem Herzen und in meinen Gebeten.

Und jetzt, im Februar, habe ich ihn wiedergefunden. In einer Schlägerei hatte er ein Auge verloren und mit dem andern konnte er kaum noch sehen.
Richard und ich sind voller Hoffnung mit ihm zu den Caritas-Augenärzten gegangen, die aus Belgien gekommen waren und über tausend Menschen geholfen hatten. Als dann aber der weiße Doktor sagte: „Das Auge ist auch tot, er wird blind bleiben“, haben wir alle drei geheult. „Mein Leben ist zu Ende“, jammerte Elongama. „Alles ist umsonst. Nicht mal ein Kind habe ich gezeugt.“
Wo ist der barmherzige Gott denn da wohl noch zu erkennen?
Eine schwarze Oma hat dazu gesagt: „Gott kann alles, helfen, heilen und bewahren. Aber er hat auch den Kalender für jeden Menschen in der Hand und ist Herr über Leben und Tod!“

Gottes Barmherzigkeit habe ich dann aber noch an einer ganz anderen Stelle entdeckt. Man sollte schon ein Auge dafür haben. Aber ein junges Fischerehepaar hat den blinden Elongama aufgenommen. Jetzt danke ich Gott und versuche diese Fischersleute zu unterstützen.
Gruß, Hans-Peter Gohl.
mehr Infos zum Kongo und der letzten Reise: gohlep [ät] web [.] de

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