Bis ins Jahr 1990 hieß der 17. Juni
„Tag der deutschen Einheit“.
Er hieß so, weil die Deutschen Einheit wollten – nicht weil sie sie hatten.
Vom 4. August 1953 an war er in der damaligen Bundesrepublik Deutschland gesetzlicher Feiertag und wurde anno 1963 von Bundespräsident Heinrich Lübke zum
Nationalen Gedenktag des deutschen Volkes erhoben.
Mit Inkrafttreten des Einigungsvertrages am 29. September 1990 wurde das Datum der Wiedervereinigung (also der 3. Oktober) anstelle des 17. Junis als "Tag der Deutschen Einheit" zum gesetzlichen Feiertag, der 17. Juni behielt allerdings seinen Status als Nationaler Gedenktag.
Gedenken wir also.
Aber was haben wir denn von 1953 bis 1990 gefeiert, als es noch ein Feiertag war?
Erst mal so viel: Eigentlich war es kein Feier-, sondern ein Trauertag.
In der damals noch jungen DDR wurden die vorhandenen Mittel hauptsächlich in Militär und Schwerindustrie investiert, um u.a. die Reparationszahlungen leisten zu können. Grundnahrungsmittel hingegen waren knapp und Geld hatte auch niemand. Schlangestehen, Verzicht und Improvisation waren an der Tagesordnung.
Zum Vergleich: in den frühen 50er Jahren kostete eine Tafel Schokolade im Westen fünfzig Pfennige, im Osten acht Mark.
Die Regierung verlangte eine zehnprozentige Normenerhöhung bei gleich bleibendem Lohn.
80 Ostberliner Bauarbeiter legten deswegen am 16. Juni die Arbeit nieder und zogen zum Alexanderplatz.
Dem Protestzug schlossen sich weitere Arbeiter und Passanten an, sodass schnell an die 3.000 Menschen zum Haus der Ministerien unterwegs waren. Dort forderten die Streikenden, die DDR-Führung zu sprechen – vergebens.
Sie standen erst für bessere Lebensverhältnisse ein, dann für freie Wahlen und schließlich für die Einheit Deutschlands.
Am nächsten Tag, dem
17. Juni 1953, formierten sich weitere Protestzüge; mittlerweile im ganzen Land. Mittags verhängte die Regierung als verlängerter Arm der Sowjets in Moskau das Kriegsrecht, sowjetische Panzer rollten an und der Aufstand wurde mit unverhältnismäßiger Härte niedergeschlagen.
Nach Angaben der DDR-Führung hat der Aufstand 25 Menschenleben gekostet. Realistisch scheinen aber 55 Tote durch Aufstand, Niederschlagung und anschließende Prozesse bzw. Haftbedingungen zu sein.
Und dennoch ist der Trauertag ein Grund zum Feiern.
Zum 50. Jahrestag sagte Günter Grass, dass der 17. Juni ein führungsloser Arbeiteraufstand gewesen sei, „auf den wir stolz sein können“. Mit den Protesten hätten sich, wie es der französische Autor Albert Camus sah, die deutschen Arbeiter rehabilitiert, nachdem sie 1933 durch ihre Unterstützung für Hitler versagt hatten. Der 17. Juni 1953 sei „ein ganz großes Datum der deutschen Geschichte, das aus unserem Gedächtnis nicht verschwinden darf“, so Grass.
(Man kann über meinen Schriftstellerkollegen Herrn Grass denken, was man will, ich denke, damit hat er Recht.)
Hiermit habe ich meinen Teil gegen das Vergessen getan.
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