Sie trat hinaus auf die kleine Lichtung und blieb staunend stehen.
Etwas Vergleichbares hatte sie noch nie gesehen. Nano tanzte einen so herrlichen wie barbarischen Tanz. Herrlich, weil er sich so geschmeidig bewegte, so langsam und überlegt. Barbarisch, weil gerade die Langsamkeit seiner Bewegungen mit der schweren Waffe einmal mehr zeigte, wie vollkommen seine Körperbeherrschung war.
Nach einer Weile hielt er inne und blieb mit dem Rücken zu ihr stehen. Es wäre ihm lieber gewesen, wenn ihn niemand beobachtet hätte. Sein langsames Fechten war eine intime Handlung zwischen Körper, Geist und Schwert; da sollte keiner zuschauen. Aber da sie ihn nun mal aufgestöbert hatte, sagte er schwer atmend und ohne sich zu ihr umzudrehen: „Du kannst ruhig näher kommen.“
Gesine klatschte begeistert in die Hände, aber weil es ein zu lautes Geräusch für diese Lichtung war, hörte sie wieder damit auf. „Es war sehr schön“, sagte sie dann.
„Schön, wenn es dir gefallen hat“ Noch immer außer Atem kam er nun auf sie zu. „Was machst du hier? Warum bist du nicht bei den anderen im „Roten Baum“?“
„Ach…“, sie seufzte. Am liebsten hätte sie ihn in den Arm genommen, ganz fest, und ihn nie wieder losgelassen; ihn, der so viel für sie getan hatte, früher, immer. Stets war er für sie da gewesen, schon lange, bevor Gereon ins Dorf gekommen war. Aber sie fürchtete, dass er das erst recht verkehrt auffassen könnte. Doch weil sie immer (und über alles) mit ihm hatte reden können, erklärte sie ihm den inneren Widerspruch.
Nano nickte und nahm sie seinerseits wortlos in den Arm. Ganz lange hielt er sie fest, und sie schmiegte sich trotz seiner von Schweiß nassen Brust an ihn. Er führte sie zum Stamm einer alten, vor kurzem umgestürzten Buche, die auf der Lichtung lag. Der Mond schien auf die silbergraue, glatte Rinde und ließ den Baum so frisch aussehen als lebe er fort.
Adventsreihe :: Beobachten
vor 1 Tag
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