Dienstag, 7. Juli 2015

der Oberkontrolletti

Wir treffen uns am Brunnen. Der Friedhof hat ja überall Wasserstellen, an denen man Frischwasser aus dem Hahn zapfen kann und im Becken drunter genauso gutes Blumengießwasser bekommt.
Ich habe eine Grableuchte dabei und nehme das Glas hinaus, um es zu waschen.
Ich will ihm gerade zu seinem Mut am Kleiderschrank gratulieren, denn er trägt eine gelborangene Hose, rote Schuhe und ein knallblaues T-Shirt, da sagt er: "Nehmen Sie doch frisches Wasser."
Ich: "Nee, das reicht schon."
Er: "Aber es wird ja so nicht richtig sauber."
Ich: "Die Leute können froh sein, dass ich ihre Lampe überhaupt sauber mache."
Er: "Sie sind doch hier zuständig für die Grabpflege, oder?"
Ich: "Ja."
Er: "Da gehört es sich aber, sauberes Wasser zu nehmen."
Ich: "Das würd ich vielleicht tun, wenn es meine Lampe wäre."
Er: "Ach, und fremde Leute sind Ihnen das nicht wert. Dabei gehört es zu Ihrer Arbeit als Grabpflegerin!"
Ich: "Grablaternen zu waschen gehört definitiv nicht dazu."

Ich hasse diese Einmischer, Besserwisser, Oberkontrollettis. Sie wissen haargenau über deine Arbeit Bescheid, und vor allem wissen sie genau, was du gerade falsch machst.
Ich kenne mehrere von der Sorte.
Einen Oberkontrolletti zeichnet eine saubere und präzise Sprache aus, damit ihm niemand einen Fehler nachweisen kann. Er weiß viel von nahezu jedem Gebiet. Lernen fällt ihm leicht! Ebenso weiß er viel über die Menschen, die ihn umgeben. Die gehen ihm bevorzugt aus dem Weg, denn es ist ihnen unheimlich, dass er so viel über sie weiß und es nie zu freundlichen Zwecken anwendet.
Ich kenne keinen Oberkontrolletti, der Freunde hat. Es sind arme Säcke, die nur nach den Fehlern anderer Menschen suchen. Sie haben niemanden, der sie liebevoll korrigiert und der ihnen sagt, dass man so nicht mit Menschen umgeht. (Und außerhalb Karneval auch nicht so aus dem Haus geht.) Deswegen werden sie immer seltsamer, sammeln immer mehr Wissen und verlieren immer mehr den Kontakt zu normalen Menschen.
Es ist mir zu anstrengend, ihnen aus Freundlichkeit ein Freund zu sein.

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