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Elisabeth und ich haben uns wieder. – Blatt 1 aus dem Reisetagebuch.
Dienstag, 14.6.
Einen halben Tag sind wir mit dem Motoreinbaum durch das Loporifluss-Paradies gefahren.
Man fährt wie über einen schwarzen Spiegel mit tausend Kurven, der links und rechts eingerahmt ist vom unberührten Urwald mit den Riesenbäumen und den Tsessepalmen, die den leckeren Palmwein spenden. Über allem der hellblaue Himmel mit regelmäßigen weißen Wölkchen und der gewaltigen Sonne.
Einsame Gottesschöpfung, ganz ohne Mängel und Fehlstellen.
Aber seit der letzten Kurve können wir plötzlich die verrosteten Tanks der ehemaligen
Ölpalmfabrik von Djombo sehen. Vergammelndes Menschenwerk, das der Urwald schlucken wird.
Das Ufer steht voll fröhlich singender Menschen, und wir fahren mit dem Boot mitten in ihren Gesang. Ein Gebet des Pastors und dann eine Begrüßung, als ob wir Könige wären.
Mittwoch, 15.6.
Wir bleiben und feiern mit allen am nächsten Tag 5 Stunden lang Gottesdienst mit 8 Chören und sehr viel Schlagzeug. Leute aus der ganzen Dschungelgegend kamen, um uns zu begrüßen und Gottes vielfarbige Gemeinde zu feiern. Nachdem wir uns davon erholt hatten, spazierten wir im Dorf und besichtigten Projekte der Gemeinde und das Witwenhaus.
Donnerstag, 16.6.
5 Uhr Aufstehen, 1 Schluck schwarzer Kaffee, eine Süßkartoffel, ein Hühnerbein, ab zum Fluss, wo es Ärger mit dem Sicherheitsdienst gibt. Danach ein voller Tag Loporiparadies bis wir abends das Dorf Bongandanga erreichen, vergammelndes Menschenwerk. Hier war früher eine berühmte evangelische Missionsstation mit Bibeldruckerei und so.
Der Empfang ist absolut herzlich, aber abends ändert sich die Stimmung, weil wir nach den 20 Wellblechplatten fragten, die Richard vor einem Jahr für das Witwenhäuschen geschickt hatte. Sie liegen noch da, und inzwischen ist das Witwenhäuschen zusammengebrochen.
An gutem Willen mangelt es im Kongo nie, aber wie an der Feuerstelle muss man ständig Holz nachlegen, sonst wird das Essen nicht gar.
Freitag, 17.6.
Richard steigt zu Elie auf die Yamaha, und meine Bandscheiben seufzen, als ich zu Bofola auf das Chinamotorrad steige. 185 km liegen vor uns und wir haben 2 Tage im Regen gebraucht, um alle Schlammlöcher zu durchqueren, alle Brücken zu reparieren, den
Bolombofluss zu überqueren, Berge hinauf und herab zuklettern, die Erosionslöcher haben, in denen man ein Auto begraben könnte. Mit dem Buschmesser hacken wir uns durch umgefallen Baumkronen auf dem Weg, der meist nur 2 Plattfüße breit ist. Alle Kinder am Weg brüllen: Hurra, ein Weißer! Sie haben so etwas selbst noch nicht gesehen. Irgendwo schenken Leute uns Maniok, den wir zu Sardinen essen, die wir mitbrachten. Wir bekamen später auch ein Nachtquartier und ich sogar eine Matratze, schwarz und 3 cm dünn.
Samstag, 18.6.
Wegen des Regens hatten wir die Hoffnung schon aufgegeben, aber wir sind doch noch bei Tageslicht nach Dzolu gekommen. Hier kam dann unsere wirkliche Überraschung.
Die Pastoren aus der ganzen Gegend waren zusammengekommen, standen da in einer Reihe, sangen ein frommes Lied, und ein Alter sprach ein langes gelogenes Gebet. Jemand führte uns in die Gästehütte und ließ uns da allein. Niemand gab uns die Hand, als ob wir Lepra oder so hätten. Später brachten die Frauen uns aber Essen und auch Wasser, damit wir uns waschen konnten.
Wir waren müde und dachten, dass sich im Sonntagsgottesdienst alles klären würde.
Sonntag, 19.6.
Der GoDi dauerte eine Ewigkeit bei der Pastorenschwämme und den viele Chören mit Tanz und Trommeln. Früher, als ich noch aktiv war, hatten wir ihnen ja mal die Kirche gebaut, und ich habe Grüße von Elisabeth und die weiße Tischdecke übergegeben, die sie für den Altartisch gespendet hatte. Die haben sie auch angenommen, aber alle, einschließlich Dorfpolizist, wurden vorgestellt und sagten ihre Sprüche, uns sahen sie aber nicht mal mit dem Hintern an.
Jesus selber war aber richtig bei mir und er hatte mir schon vor der ganzen Reise die Jahreslosung 2011 aus dem Römerbrief ins Ohr geflüstert:
„Lass dich nicht vom Bösen besiegen, sondern besiege das Böse durch Gutes!“
Später wollte der Oberpastor sich bei mir entschuldigen, man hätte mich nicht begrüßen können, weil ich ja zusammen mit den Basankusuleuten gekommen sei.
Montag, 20.6.
Um 9 Uhr waren alle Pastoren wieder in der Kirche und wir wurden auch bestellt. Wir waren ja offiziell eingeladen worden, das Seminar über Diakoniearbeit zu machen, und ich hatte die Hoffnung auf ein vernünftiges Ende noch immer nicht aufgegeben. Aber wir mussten uns nur Vorwürfe und Beschimpfung über die Cadelukirche anhören, von der sie sich jetzt endgültig trennen wollen. Als sie dann auch noch fromme Lieder gesungen haben, sind wir ohne ein böses Wort gegangen, haben unsere Sachen verschnürt, und meine Wirbelsäule jammerte, als ich auf das Chinamotorrad stieg.
Es hat auch wieder geregnet, obwohl ich so dagegen gebetet hatte. In der Nacht haben uns Leute aufgenommen und ein Nachtlager gegeben. Die Mama hat auch das Huhn gebraten, das hinten am Motorrad hing, und das uns Oppositionelle in Dzolu als Trost geschenkt hatten. Alles hat gut gegangen, nur nachts bei einem Stopp habe ich in einer Ameisenstraße gestanden, die haben dann einen bösen Rachefeldzug in meinen Hosenbeinen gemacht.
Mittwoch, 22.6.
Wir haben Gott da wirklich sehr gedankt, als wir abends wieder heil in Basankusu waren.
Warum das alles?
Richard hatte schon lange eine Einladung nach Dzolu, um Diakonieseminare zu machen, und wir suchten nur noch das Reisegeld zusammen. Aber dann kam das Gerücht, dass sich die Gemeinden im Norden von der Kirche abspalten wollen. - Eine lange Geschichte.
Ich hatte gedacht, dass ich als Weißer neutral wäre und vielleicht durch meinen Besuch eine Türe für Gespräche öffnen könnte.
Die Einladung aus Dzolu wurde auch kurz vor unserer Abreise noch mal bestätigt. Als wir dann aber endlich da ankamen, hatte der Oberkriegstreiber aus Mbandaka, der sich da ein Pöstchen als zukünftigen Präses der neuen Kirche ausrechnet, per Phonie so viel Lügengespinne verbreitet, dass die Dzolus uns nicht mal die Hand zum Gruß gaben.
Sicher hatte ich mir mehr Erfolg versprochen, aber wirklich wichtig war für mich persönlich nur, dass wir gegangen sind.
In Dzolu haben uns viele hundert Menschen gesehen und sie wissen auch, welche Strapazen wir auf uns genommen hatten.
Unser Bild ist da, und das Ende der Geschichte weiß nur der, der uns gesandt und uns den ganzen Weg bewahrt und unsern Mund zugehalten hat.
Jetzt hat die Elisabeth mich wieder, und ich konnte ihr berichten, dass ich, nach 19 Jahren, in Dzolu Daddy, Elisabeths früheres, halbverhungertes Pflegekind, umarmt habe. Daddy ist ein starker Mann geworden, hat große Maniokfelder im Dschungel und mit seiner Frau ein kleines Mädchen.
Und beim Rückflug nach Deutschland ist mir aufgefallen, dass selbst die schwärzesten Wolken, von oben gesehen, schneeweiß sind.
Gruß, Hans-Peter Gohl.
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